Isabel Neese: "Ich habe zwei Tage danach noch immer geweint"
28.04.2020 – Thorsten Eisenhofer
Isabel Neese (Triathlon Team DSW Darmstadt) war eine der Shootingstars der vergangenen Saison der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga. Im Interview erzählt die 21-Jährige, warum sie zwei Tage nach einem Rennen noch geweint hat, warum Training mit Jugendlichen durchaus gewinnbringend sein kann und warum sich aus einem verlorenen Chip Freundschaften entwickeln können.
[[$GalleryElement? &unique_idx=`2` &layout_id=`6` &layout_column=`col2` &layout_idx=`0` &layout_title=`` &lightbox=`0` &thumbnail=`` ]]Isabel, es ist dein erstes Interview.
Ja, ich habe noch nie ein Interview geführt. Vergangenes Jahr das Team-Interview in Tübingen habe ich leider verpennt, weil ich so auf das Rennen fokussiert war und noch trainiert habe. Ich war die letzten Tage echt ein bisschen nervös, habe mir dann aber gesagt: Ich gehe das Interview locker an und bin so wie ich bin.
Lockerheit zeichnet dich mittlerweile auch bei Wettkämpfen aus.
Ich will die Wettkämpfe ohne Druck bestreiten. Ich habe gemerkt, ich kann mehr rausholen, wenn ich nicht zu verbissen an Zahlen und Platzierungen denke.
Früher warst du also zu verbissen?
In der Vergangenheit habe ich mir oft zu hohe Ziele gesetzt, habe gemerkt, dass die anderen besser sind als ich. Damit habe ich mir viel Druck aufgebaut. Ich hatte dann in Rennen zum Teil totale Blackouts. Das war echt übel. Die Leichtigkeit war nicht da. Ich habe ein bisschen gebraucht, um zu lernen, nicht zu verkrampft an die Sache heranzugehen.
Dabei hat dir geholfen, dass du dein Schwimmtraining seit zwei Jahren zusammen mit einer Gruppe Jugendlicher bestreitest.
Für mich ist das absolut befreiend, obwohl die anfangs zwölf Jahre alt waren, nun 14, 15 sind.
Der Altersunterschied spielt keine Rolle?
Es ist schön zu sehen, dass sie im Umgang einfach vergessen, dass ich älter bin. Und albern bin ich eh noch (lacht).
Das Bundesligarennen im Kraichgau 2019 war zugleich auch dein Debüt in der höchsten deutschen Triathlonliga. Und dann bist du gleich Neunte geworden.
Ich war total überwältigt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Zwei Wochen zuvor bin ich beim Europacup in Olsztyn gestartet. Es ist alles schief gelaufen, was schieflaufen kann. Im Wasser bin ich halb erfroren, in der Wechselzone und auf dem Rad lief es nicht. Es war katastrophal. Ich hatte daher echt die Hosen voll vor dem Rennen im Kraichgau. Umso krasser, wie es dann gelaufen ist. Ich habe zwei Tage danach noch immer geweint vor Freude, wenn ich an den Wettkampf zurückgedacht habe.
Vor allem beim Laufen lief es richtig gut.
Ich bin ziemlich weit hinten in der Gruppe in die zweite Wechselzone gekommen. Ich dachte, ich reiße hier eh nichts. Und dann bin ich einfach immer weiter nach vorne gelaufen. Es war wie in einem Film. Ich dachte: Was ist denn hier los? (lacht)
Du hattest schon nach dem ersten Rennen der Saison mehr erreicht, als du dir zugetraut hast.
Für mich war es schon ein Erfolg, in den kommenden Rennen die Platzierung aus dem Kraichgau in etwa bestätigen zu können. Ich habe mich schon gefragt: Was erwartet man jetzt von mir, wenn ich im ersten Rennen schon Neunte werde? Aber ich habe mich durch den neunten Rang auch ernstgenommen gefühlt. Ich bin nicht die Athletin, die mit dem größten Selbstvertrauen an den Start geht. Ich frage mich oft, ob ich gut genug bin? Das Rennen im Kraichgau hat mir viel Bestätigung gegeben. Ich habe gesehen: Du kannst das.
Hast du plötzlich Druck gespürt?
Nicht von meinem Team, die waren super happy mit meinen Ergebnissen. Aber von anderen Leuten. Im Ziel in Düsseldorf (dem zweiten Rennen, Neese wurde 21.) habe ich einige Male zu hören bekommen, dass es dieses Mal ja nicht so gut gelaufen sei. Dabei war ich völlig zufrieden mit meiner Platzierung.
Du hast das fehlende Selbstvertrauen angesprochen. Hast du dir die Bundesliga nicht zugetraut?
Ich hatte zwar 2018 in der Zweiten Liga ein Rennen gewonnen und war einmal Zweite geworden, wusste jedoch nicht, ob ich mir die Bundesliga zutrauen kann. Das ist natürlich eine schlechte Einstellung vor dem Start. Umso wichtiger ist es natürlich, dass man schnell Bestätigung durch ein gutes Ergebnis bekommt. Dann gehst du den Positionskampf im Wasser im folgenden Rennen gleich ganz anders an.
Du bist 2018 in der Zweiten Liga für Bayreuth gestartet. Die Mädels vom Triathlon Team DSW Darmstadt waren damals Konkurrentinnen. Nach ihrem Aufstieg haben sie sich dafür ausgesprochen, dass du das Team verstärkst. Du scheinst einen guten Eindruck hinterlassen zu haben.
Lucie Kammer hat beim ersten Saisonrennen ihren Chip verloren. Dann wurde jemand gesucht, der bestätigten konnte, dass sie die Laufstrecke absolviert hat. Ich konnte das. So habe ich bei den Darmstädterinnen wohl gleich einen positiven Eindruck hinterlassen (lacht). Wir haben die Saison über dann oft miteinander gequatscht.
Zusammen seid ihr dann 2019 als Aufsteigerinnen Achte in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga geworden.
Da ist schon der Wahnsinn. Wir hatten vorher echt Bammel, ob wir mithalten können.