Aljoscha Willgosch: "Kinder geben dir ein Motivationslevel, das ich jedem nur wünschen kann"
12.04.2021 – Thorsten Eisenhofer
Aljoscha Willgosch vom Team Weimarer Ingenieure HSV Weimar blickt auf eine über zehnjährige Karriere in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga und Zweiter Bundesliga zurück. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie Kinder die Karriere beeinflussen, warum er kein Hobbygärtner werden möchte und was Fahrten an Ruben Zepuntkes Hinterrad ihn gelehrt haben.
[[$GalleryElement? &unique_idx=`2` &layout_id=`6` &layout_column=`col2` &layout_idx=`0` &layout_title=`` &lightbox=`0` &thumbnail=`` ]]Aljoscha, du hast deinen ersten Wettkampf in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga 2010 absolviert. Was war dein schönster Bundesliga-Wettkampf?
Da gibt es einige. Ich fand die Finals 2019 in Berlin eine geile Erfahrung. In Tübingen ist das Flair ein ganz Besonderes mit der Wechselzone auf der Neckarbrücke. Auch die ehemaligen Wettkämpfe in Witten, mit dem mobilen Pool, oder im Amphitheater von Gelsenkirchen waren sehr bereichernde Wettkämpfe.
Berlin 2019 war allerdings aufgrund der Medienpräsenz schon sehr speziell, auch für uns als Team. Es war für uns das entscheidende Rennen im Abstiegskampf nach einer maximal unglücklich verlaufenen Saison. Ich kann das Rennen ja mal aus meiner Perspektive schildern.
Klar, gerne.
Ich bin mit Ruben (Zepuntke, Anm. d. Red.) zusammen aus dem Wannsee gestiegen. Ich wusste um seine Radstärke, aber es war dann doch beeindruckend, was er weggebrummt hat. Aufgrund der Topographie der Radstrecke konnte man sich ausmalen, wo er angreifen und seine Aufholjagd beginnen würde. Ich habe mich kurz vor dem Hügel an seinem Hinterrad in Position gebracht. Wie aggressiv er dann in diesen Hügel gefahren ist, hat mich schwer beeindruckt. Unmittelbar vor der Kuppe hatten wir dann nur noch etwa 75 Meter Rückstand auf die Gruppe vor uns und in dem Moment ging bei mir nichts mehr. Ich bin so geplatzt, dass ich nicht mehr wusste, wo vorne und hinten ist. Ruben hat die Gruppe erreicht und ich war froh, dass ich nicht durchgereicht worden bin. Beim Laufen war dann leider nur noch Schadensbegrenzung möglich.
Den Klassenverbleib konnten wir uns trotz maximalem Risiko auch nicht sichern. In Berlin, gegen das Triathlon Team Berlin als direkten Konkurrenten gegen den Abstieg zu kämpfen, war schon eine spezielle Situation.
Warum verlief die Saison für euch maximal unglücklich? Wart ihr zu nervös?
Das auch, wir hatten eine sehr junge Mannschaft und hohe Erwartungen an uns. Viele der Jungs hatten nur Zweitligaerfahrung. Im Kraichgau hat es mit drei Stürzen unserer Athleten kurz vor dem zweiten Wechsel schon unglücklich begonnen. In Tübingen sind wir dann zu dritt dem Feld hinterher gefahren. Das war ein mentaler Nackenschlag. Da haben wir schon geahnt, dass das mit dem Klassenerhalt wohl schwer wird.
Das Ziel ist nun der Wiederaufstieg.
Es war ein tolles Jahr in der Bundesliga, was uns brutal motiviert hat. Wir wollen den Wiederaufstieg schaffen und haben auch die Qualität dazu.
Es geht auch darum, den Triathlon in Thüringen voranzubringen.
Wir sind ein kleines Bundesland, in dem nicht so viele Kinder Triathlon machen. Trotzdem hat es Thüringen immer wieder geschafft, Bundeskaderathlet*innen zu stellen. Wir müssen traditionell gute Arbeit leisten, damit aus den wenigen Talenten etwas wird. Und für diese Talente ist es wichtig, dass sie sich auf höchstem Niveau messen können.
Unser Ziel in Weimar ist es, langfristig eine Mannschaft in der Ersten Liga und eine in der Zweiten Liga zu etablieren. So kann man die Talente behutsam heranführen und die älteren Athleten können ihnen mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen. Wenn ich mit Richard Murray, von dem ich weiß, dass er 5 Kilometer isoliert mittlerweile in unter 14 Minuten läuft, an der Startlinie stehe, realisiere auch ich, in welch erlesenem Feld ich mich befinde. Wie geht es da erst einem 16- oder 17-Jährigen? Die jungen Athleten muss man in solchen Situationen etwas an die Hand nehmen und ihnen aufzeigen, dass sie sich auf sich und ihre Stärken konzentrieren dürfen.
Du klingst fast schon wie ein Teamleiter. Ist das dein Ziel?
Ich bin seit zweieinhalb Jahrzehnten dabei. Das ist eine lange Zeit. Ich habe alle Kaderstrukturen durchlaufen, bin in Zweiter und Erster Liga gestartet. Mir macht es Freude, dieses Wissen auch weiterzugeben. Ich will dem Triathlon über meine eigene sportliche Laufbahn hinaus auf jeden Fall erhalten bleiben. In welcher Funktion wird sich zeigen. Dass ich Hobbygärtner werde, ist schwer vorstellbar, dafür bedeutet mir der Sport zu viel.
Du bist mittlerweile auch zweifacher Familienvater. Wie hat sich dein Triathlonleben dadurch verändert?
Es wird mit Kindern unplanbarer. Nach der Geburt meiner ersten Tochter 2016 war ich gut drauf und wollte sportlich noch eine Schippe drauflegen und mit einer Profilizenz auf der Mitteldistanz Fuß fassen. Dann hat die Kleine über den Herbst und Winter so viele Krankheiten aus der Kita mitgebracht, dass ich in der Vorbereitung in Summe sechs Monate nicht trainieren konnte. Und in den Zeiten, in denen ich trainieren konnte, haben sich alte Beschwerden an der Achillessehne bemerkbar gemacht. Laufintervalle in Kombination mit so vielen Ruhephasen vertragen sich nicht. Für meine sportlichen Ambitionen war es also nicht gerade hilfreich. Aber: Es gibt nichts Schöneres, als von seiner Familie beim Wettkampf an der Strecke unterstützt zu werden. Das gibt dir ein Motivationslevel, das ich jedem nur wünschen kann.
Sind weitere Starts in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga für dich eher ein Ziel oder ein Traum?
Ein Traum, wenn man sich die Leistungsdichte und die Leistungsbreite anschaut. Da muss ich realistisch sein. Ich werde nicht jünger und habe mittlerweile zwei Kinder. Es wäre toll, wenn ich das Niveau noch einmal erreichen kann, das Team als Leistungs- und nicht bloß als Erfahrungsträger zu unterstützen. Aber es wird schwer.
Dein erstes Bundesligarennen hast du 2010 in Gladbeck absolviert. Mit welchen Erinnerungen?
(lacht) Bei der Frage muss ich an dein Interview mit Jan Stratmann denken, der über seinen großen Ehrgeiz, der ihm ab und an im Weg stand, gesprochen hat. Das ist auch auf mich zu 100 Prozent übertragbar. Ich war vor den Rennen damals so extrem motiviert, bin mit Kopfhörern herumgelaufen und dachte: je aggressiver ich drauf bin, desto besser performe ich. Ich habe es mit diesem pushen bis ans Limit getrieben und so manches Mal auch übertrieben. Ich wollte zu viel, wollte immer noch eine Schippe drauflegen. Ich habe mich von meinem damaligen Trainer Klaus Peter Justus nicht bremsen lassen. Was ich heute sehr bedauere. Mittlerweile habe ich daraus gelernt und kann den Sport mehr genießen. Aber ich habe es somit auch verpasst, mehr aus mir herauszuholen und eventuell eine noch wichtigere Rolle zu spielen.