Anna-Lena Pohl: Bundesliga als Wegweiser für die Karriere
13.10.2020 – Thorsten Eisenhofer
Etwa fünf Minuten vor dem Start des Rennens der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga in Tübingen 2015 merkte Anna-Lena Pohl, dass sie ihren Neoprenanzug im Teamfahrzeug vergessen hatte. Es begann ein Wettlauf gegen die Zeit: Teamleiter suchen und Autoschlüssel besorgen, 700-Meter-Sprint zum Teamfahrzeug, 700-Meter-Sprint zurück in den Startbereich, Neoprenanzug anziehen. Die Zeit reichte. Gerade so. Der zusätzliche Nervenkitzel hatte vielleicht auch seinen Anteil an der mit Rang zehn besten Einzelplatzierung ihrer Karriere in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga.
[[$GalleryElement? &unique_idx=`2` &layout_id=`6` &layout_column=`col2` &layout_idx=`0` &layout_title=`` &lightbox=`0` &thumbnail=`` ]]Wenn man sich mit Anna-Lena Pohl über die Triathlon-Bundesliga unterhält, dann erzählt sie nicht nur die eine oder andere erheiternde Geschichte wie jene mit dem vergessenen Neoprenanzug. Sie sagt auch Sätze wie: „Die Bundesligarennen waren immer coole Erfahrungen.“ Oder: „Ich finde es toll, in der Einzelsportart Triathlon im Team zu starten.“ Wobei: Eigentlich muss sie diese Sätze gar nicht sagen. Denn man sieht an ihrem Lächeln, an dem Glanz in ihren Augen, wenn sie über die Triathlon-Bundesliga spricht, dass ihr die Starts in der höchsten deutschen Triathlon-Liga immer Spaß gemacht haben, eine Bedeutung für sie hatten.
Die 30-Jährige gehört mittlerweile zu den besten deutschen Athletinnen auf der Mitteldistanz. Im kommenden Jahr möchte sie ihre Langdistanz-Premiere feiern. Beim Ironman in Frankfurt. Aber wie für so viele deutsche Top-Athleten vor ihr – und wie vermutlich noch ganz viele nach ihr – hat die Bundesliga eine wichtige Rolle bei ihren bisherigen Erfolgen gespielt – und bei denen, die noch kommen werden. „Die Triathlon-Bundesliga war eine sehr gute Schule für meine Entwicklung“, sagt sie. „Es war“, so sagt Anna-Lena, „ein Sprung ins kalte Wasser“ – im wahrsten Sinne des Wortes. „Beim ersten Rennen folgte auf einen Schock der nächste“, erzählt sie. Beim Schwimmen wurde sie von einer „Waschmaschine in die nächste“ katapultiert. Beim Radfahren kämpfe sie nach jeder Kurve, nach jeder Tempoverschärfung um den Anschluss. Aber sie lernte. Von Rennen zu Rennen.
Die vielen Starts in der Bundesliga ab 2015 kamen zudem in ihrer Entwicklung zur rechten Zeit. „Sie waren eine gute Erdung für mich“, sagt Anna-Lena. Sie waren wichtige Wegweiser, die ihr bei der Navigation durch ihre Karriere halfen. Die ersten Jahre ihrer Triathlonkarriere, die Aufbaujahre ab 2011, waren für sie bis dahin wie gemalt verlaufen. Es war eine Entwicklung zu sehen, es ging bergauf, Erfolge stellten sich ein. Doch aus engen Duellen, aus Fehlern und aus Niederlagen lernt man meistens mehr.
Von Beginn an mit Ernsthaftigkeit bei der Sache
Sie hatte schnell gemerkt, dass Triathlon ihr Sport ist. Sie ging ihn, wie immer, wenn ihr etwas am Herzen liegt, mit dem entsprechenden Ehrgeiz an. „Es war klar: Wenn ich es mache, dann mache ich es richtig.“ In ihrer Schulzeit war Anna-Lena leistungsmäßig geschwommen. Beim Schwimmen war sie auch mit Fleiß und Herzblut dabei, nahm auch an Deutschen Jahrgangsmeisterschaften teil, spulte zum Teil 50 Kilometer die Woche im Becken ab. Aber sie ging auch jeden Tag in das Schwimmtraining, weil ihre Freunde das auch taten, weil ihr Leben das halt damals so vorsah.
Beim Triathlon war von Beginn an ein Ticken mehr Ernsthaftigkeit dabei. Vielleicht lag das daran, dass sich schnell Erfolge einstellten. Vielleicht lag das daran, dass sie ihre Berufung gefunden hatte. Vielleicht lag das auch daran, dass sie erwachsener geworden war, eher wusste, was sie will. Und was nicht. Vielleicht auch an einer Mischung aus allem. Es war jedenfalls schnell klar, wohin der Weg führen sollte: möglichst weit nach oben. Wenn auch auf den längeren Strecken: „Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich für die kurzen Distanzen zu spät in den Triathlon eingestiegen bin.“
Im kommenden Jahr will sie nun ihre ersten Erfahrungen auf der Langdistanz sammeln. Spricht man mit ihr über ihre Ziele für die kommenden Jahre, nun ja, es ist der einzige Moment in dem Gespräch, in dem ihre Aussagen ein bisschen vage(r) werden. Es sind jedenfalls einige Nachfragen nötig, bis sie sich zu folgendem Satz verleiten lässt: „Jeder Athlet möchte natürlich am liebsten Hawaii gewinnen.“
Ob sie auf der Langdistanz Potential hat, ob sie vielleicht wirklich mal in Hawaii um eine vordere Platzierung mitkämpfen kann, das werden die nächsten Jahre zeigen. Was klar ist: Sie geht ihre nächsten Karriereschritte mit einem klaren Fokus an, hat verstanden, dass Talent nicht alles ist. Dass Talent bis zu einem bestimmten Punkt hilft. Und vielleicht auch nötig ist. Aber das harte Arbeit das Mehr an Talent schlagen kann. Eine Einstellung, die man vermutlich braucht, wenn man Profi sein möchte. Anna-Lena jedenfalls spricht mit einer solchen Begeisterung von ihrem (Profi-)Leben, das man kurzzeitig verleitet ist zu glauben, sie habe irgendwelche Superkräfte und spüre im Training keine Schmerzen – so wie jeder andere (Tri)Athlet. Allerdings: Wer Superkräfte hat, würde vermutlich seinen Neoprenanzug vor einem Rennen nicht im Teamfahrzeug vergessen.