Laura Zimmermann: Ein Wagnis als folgerichtige Entscheidung
29.10.2020 – Thorsten Eisenhofer
Anfang Oktober dieses Jahres ist Laura Zimmermann auf den Gipfel der Zugspitze gekraxelt. Durch das Höllental, eine der anspruchsvollsten Routen auf den höchsten Berg Deutschlands. Es war für die 30-Jährige ein schönes Highlight zum Abschluss eines Sportjahres, das coronabedingt so anders verlaufen ist als geplant und gewünscht - und viel weniger (sportliche) Highlights hatte, als erhofft.
Laura Zimmermann ist im Allgäu aufgewachsen, hat in der Alpenmetropole Innsbruck Sportwissenschaften studiert, macht jedes Jahr in der Off-Season mit der gleichen Gruppe eine Bergtour, meistens eine Mehrtages-Wanderung mit Übernachtungen auf Hütten. Sie liebt es, in den Bergen zu sein. Wenn Triathlon ihr Lebensgefühl ist, dann ist Wandern zumindest eine Leidenschaft.
[[$GalleryElement? &unique_idx=`2` &layout_id=`6` &layout_column=`col2` &layout_idx=`0` &layout_title=`` &lightbox=`0` &thumbnail=`` ]]Das zweite Jahr auf der Langdistanz ist eigentlich keines
Laura Zimmermann hätte an diesem Tag Mitte Oktober, an dem man mit ihr spricht, jedoch viel lieber über andere Dinge geschwärmt als über die erste Besteigung der Zugspitze in ihrem Leben. Über ihren ersten Start beim Ironman Frankfurt zum Beispiel, der für 2020 geplant war. Vielleicht auch über die Qualifikation für die Ironman-Weltmeisterschaften auf Hawaii, die in ihrem eigentlich zweiten Jahr auf der Langdistanz noch kein Muss-Ziel (das ist es erst für die kommenden Jahre) war. Gestartet wäre sie beim Sehnsuchtswettkampf vieler Triathlet*innen trotzdem.
Stattdessen erzählt Laura Zimmermann davon, dass sie gut und viel trainieren konnte. Sie erzählt davon, dass es natürlich nicht einfach ist, damit umzugehen, über Wochen und Monate nicht zu wissen, ob noch ein Wettkampfstart möglich ist – oder nicht. Und sie erzählt davon, dasses eine mentale Belastung ist, wenn man 2020 erstmals (Voll-)Profi ist. Die Jahre zuvor hat Zimmermann jeweils noch ein paar Stunden die Woche als Zahnärztin gearbeitet. Nun stand sie ausgerechnet in diesem schwierigen Jahr ohne diese finanzielle Absicherung da.
Das Wagnis ist eine folgerichtige Entscheidung
Das Wagnis, voll auf den Sport zu setzen, war, schaut man ihre Entwicklung in den vergangenen Jahren an, eigentlich kein Wagnis – zumindest solange man kein Hellseher ist und die Coronakrise kommen sah. Eigentlich war es eine folgerichtige Entscheidung ihrer Entwicklung, unterfüttert mit guten Argumenten in Form von sportlichen Erfolgen. Mit dem Höhepunkt, dem zweiten Platz beim Ironman Barcelona im vergangenem Jahr. In ihrem ersten Wettkampf auf der Langdistanz.
Zimmermann hatte über Jahre ein „Doppelleben“ geführt. Im verschulten Studium der Zahnmedizin war sie vor allem im klinischen Abschnitt täglich von halb acht morgens bis abends an der Uni, kam nach dem Training oft erst um zehn Uhr nach Hause. „Da hatte ich noch nichts gegessen und auch noch nicht gelernt.“ Nach dem Abschluss des Studiums arbeitete sie dann in Teilzeit als Zahnärztin. Der Job war körperlich anstrengend („Das hat schon Körner gekostet“), auch wenn sie es stets als Ausgleich, als Abschalten vom (Trainings-)Alltag sah: „Beim Arbeiten war ich voll auf die Arbeit konzentriert, da habe ich nicht an Sport gedacht.“
Es scheint noch vieles möglich zu sein
Nun tüftelt Laura Zimmermann an einem Plan, der es ihr ermöglicht, auch in den kommenden Jahren finanziell sorgenfrei ihren Sport betreiben zu können. Ihr ist zu wünschen, dass das Tüfteln einen tollen Plan hervorbringt. Denn es dürfte spannend zu sehen sein, was auf ihr starkes Langdistanzdebüt in Barcelona in 8:49:12 Stunden inklusive eines Rad-Streckenrekords noch folgt – vor allem, wenn sie sich voll auf den Sport konzentrieren kann. Laura Zimmermann jedenfalls macht kein Geheimnis daraus, dass sie langfristig weit vorne mitmischen will. „Solch ein Ergebnis wie in Barcelona beflügelt natürlich, dennoch muss ich diese Leistung erst bestätigen“, sagt sie und fügt an: „Mein ganz großes Ziel sind die Weltmeisterschaften auf Hawaii.“
Laura Zimmermann war schon von klein auf sportbegeistert- Schwimmen, Turnen, Fußball, Golfen, Tennis, Biathlon, Laufsport. Im Alter von 21 Jahren absolvierte sie erst ihren ersten Triathlon. Zu spät, für eine große Karriere auf den kurzen Distanzen. Aber eben noch früh genug, um nach einigen Aufbaujahren auf der Langdistanz durchzustarten, schon zu Beginn ihrer Triathlonkarriere ihr Ziel. Auf dem Weg dahin gab es Höhepunkte wie Starts in Rennen der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga, dem Deutschen Meistertitel der Elite auf der Duathlon-Mitteldistanz 2019, der Silbermedaille bei den ETU Europameisterschaften Elite im Duathlon 2017, ihre erste Profi-Podiumsplatzierung bei einem Ironman 70.3, oder dem Ironman-70.3-Altersklassen-Europameistertitel 2014.
„Ich wusste immer: Irgendwann ist es Zeit für die Langdistanz“, sagt Zimmermann. Ihr Traum war es, ihre erste Langdistanz im Rahmen des DATEV Challenge Roth, wo 2021 die Deutschen Meisterschaften auf der Langdistanz stattfinden, zu absolvieren. Doch ein Start in Roth kollidierte terminlich mit einer Mitteldistanz-Saison. Daher fiel die Entscheidung auf Barcelona, einem Rennen im Spätsommer.
Eine gute Entscheidung. Es war nicht nur ihr bis dahin größter sportlicher Erfolg, sondern bekräftigte sie auch in der Entscheidung, neben der Mitteldistanz in Zukunft den Hauptfokus auf die Langdistanz zu setzen. „Ich habe in den vergangenen Jahren festgestellt, dass es mir leicht fällt, ein Tempo über einen langen Zeitraum durchzuhalten, deutlich über die Streckenlänge einer Mitteldistanz hinaus“, sagt Zimmermann und fügt an: „Es fällt mir allerdings im Vergleich schwerer, in Rennen ein noch höheres Tempo anzuschlagen.“ Voraussetzungen, dir ihr nicht nur bei Langdistanzrennen, sondern sicherlich auch beim Weg hinauf auf die Zugspitze geholfen haben.