"Ich muss jetzt erstmal Winterklamotten kaufen"
11.11.2021 – thorsten eisenhofer
Horst, hast du schon realisiert, dass deine Zeit als Triathlon-Profi vorbei ist?
Ich habe mich mit der Frage des Karriereendes lange auseinandergesetzt. Mit Mitte 30 rückt das Karriereende ja unweigerlich näher. Es ist bei mir noch nicht so richtig angekommen, dass ich meine Laufbahn beendet habe. Es wird auch noch ein bisschen dauern. Bislang fühlt es sich gut an, ich befürchte aber auch – das weiß ich auch vielen Gesprächen mit ehemaligen Athlet*innen –, dass irgendwann eine Phase kommt, in der ich wehmütig werde und bedauere, diesen Lebensrhythmus des Profis nicht mehr zu haben.
Was war für dich das Tollste an dieser Zeit?
Das Training an sich hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und ich habe es als Privileg empfunden, Profi zu sein. Die Wettkämpfe waren sicherlich das Sahnehäubchen, die Reisen, vor allem die endlosen Sommer, die vielen Trainingslager im Winter, das habe ich schon genossen. Ich war im Winter fast nie in Deutschland.
Hast du denn dann überhaupt genug Winterklamotten?
(lacht) Da habe ich derzeit ein überschaubares Sortiment. Ich hatte vor allem Sportklamotten an, „zivil“ unterwegs war ich bislang eher selten. Da muss ich wohl noch ein bisschen nachlegen.
Wird dir etwas fehlen?
Wettkämpfe. Ich bin zwar froh, den Wettkampfstress nicht mehr zu haben, aber das Racefeeling werde ich definitiv vermissen. Ich werde erst einmal keine Triathlonrennen mehr machen, weil ich guten Breitensportlern keine guten Platzierungen wegnehmen möchte und weil ich mich nicht an meine „alten“ Leistungen messen möchte. Aber ich will in anderen Sportarten Wettbewerbe bestreiten.
Zum Beispiel?
Ich möchte einen schnellen Marathon laufen, unter 2:30 Stunden, vielleicht sogar unter 2:25 Stunden, auf einem schnellen Kurs in einer coolen Stadt wie Berlin oder London. Ich kann mir auch vorstellen, im Off-Road-Bereich einige Rennen zu machen, ob Mountainbike-Marathons oder Gravel-Rennen. Das Cape Epic zu fahren (Mountainbike-Etappenrennen in Südafrika, Anm. d. Red.), wäre zum Beispiel etwas.
Lass uns aus der Zukunft in die Vergangenheit schweifen. Dein erstes Rennen in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga hast du 2001 absolviert.
Die Bundesliga war bei uns jungen Athleten das Ding. Wer damals als junge*r Athlet*in mit Triathlon angefangen hat, hat dies nicht wegen der Ironman-WM auf Hawaii gemacht, sondern wegen der Triathlon-Bundesliga. Es war für junge Athlet*innen unheimlich viel wert – und das gilt auch heute noch so – sich mit der nationalen und internationalen Spitze zu messen. Es war super faszinierend, seine ersten Schritte auf diesem Terrain mit Athleten wie Simon Lessing (fünffacher Weltmeister auf der Kurzdistanz, Anm. d. Red.) und anderen Stars der Szene zu machen.
Einige von euch jungen Deutschen sind dann auch zu Stars der Szene geworden.
Jan Frodeno (mehrfacher Ironman-Weltmeister und Olympiasieger 2008, Anm. d. Red.), Steffen Justus und Sebastian Dehmer (jeweils Olympia-Teilnehmer, Anm. d. Red.) waren damals die Stärksten in meiner Altersklasse. Sie haben schon in der U23 alles abgeräumt, was abzuräumen war. Alles was national dahinter kam, war praktisch raus, wenn es um internationale Einsätze ging.
War das auch mit ein Auslöser, warum du auf die längeren Distanzen gewechselt bist?
Das war schon eines der Kriterien. Mir war irgendwann klar, dass die Chance, mich mal für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, sehr, sehr gering ist. Ich bin zwar beim Leistungstest über 5000 Meter 15 Minuten tief gelaufen. Das hat mir aber wenig gebracht, wenn andere 14 Minuten tief gelaufen sind.
Den Realitycheck gab es auch immer bei den Bundesligarennen. Damals waren oft Neuseeländer und Australier ganz vorne, dann kamen Athleten wie Jan, Sebastian oder Steffen. Und ich war dann weitere zehn Plätze dahinter. Da war klar, es wird eng.
Du hast dich dann langsam in Richtung der längeren Strecken orientiert, was damals nicht so einfach war wie es das heute ist.
Ich bin damals dann vor allem bei Kurzdistanzrennen mit Windschattenverbot gestartet. Es gab nicht viele Mitteldistanzrennen. Die Deutschen Meisterschaften und ein paar Ironman-70.3-Rennen, die aber irgendwo in Europa stattfanden.
Du bist weiterhin regelmäßig in der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga gestartet. Welche Erinnerungen hast du an die vielen Bundesligarennen?
Es gibt viele tolle Erinnerungen und Geschichten. Niemals vergessen werde ich zum Beispiel das Rennen in Gladbeck 2004. Ich war damals mit Jan Frodeno, Sebastian Dehmer, Igor Sysoev und Tobias Dehmer am Start. Es war ein Teamwettkampf, die Zeit des Vierten zählte. Tobi ist früh zurückgefallen, ich musste permanent über meinem Leistungsniveau agieren, um dabei zu bleiben. Es war so ein hartes Rennen. Unglaublich. Wir waren ein Weltklasseteam, außer mir zumindest, aber wir sind in diesem Jahr nur Dritter in der Gesamtwertung der Bundesliga geworden.
Zum Ende deiner Karriere hin bist du dann auch in der Zweiten Liga gestartet. Auch um den Verein etwas zurückzugeben?
Das habe ich gerne gemacht. Es war cool, zusammen mit den jungen Wilden am Start zu sein. Ich konnte den Jungs, mit denen ich regelmäßig trainiert habe, etwas zurückgeben. Und für den Nachwuchs war es natürlich toll, mit mir in einem Rennen zu starten. Zu Beginn meiner Karriere fand ich es auch cool, mit erfahrenen Athleten in einem Team zu sein.
Wenn dich junge Athlet*innen fragen, wie wichtig die Bundesliga für deine Karriere war, was antwortest du?
Ich erzähle ihnen, dass die Bundesliga super wichtig war und dass meine Profikarriere ohne die Bundesliga so nicht möglich gewesen wäre.