"Diese Endgültigkeit ist schon hart, der Fakt schon niederschmetternd"
03.12.2024 – thorsten eisenhofer
Simon, wie geht es dir?
Es ist natürlich schade, dass meine Karriere so früh zu Ende geht. Das Gute ist: es kam für mich nicht ganz überraschend.
Bei meiner ersten Leistungsuntersuchung über den bayrischen Landeskader 2013 ist die Aortenklappeninsuffizienz erkannt worden. Seitdem muss ich zu jährlichen Untersuchungen. Es war absehbar, dass ich nicht Leistungssport werde betreiben können, bis ich 40 Jahre alt bin.
In den vergangenen drei Jahren haben sich die Werte von Jahr zu Jahr verschlechtert.
Da kam dann schon eine gewisse Unruhe in mir auf. 2023 habe ich das vom Kopf her noch ganz gut weggesteckt, konnte mich voll fokussieren und die Rennen richtig genießen. Bei den letzten beiden Weltcup-Wettbewerben in Asien nach dem Gewinn des U23-WM-Titels war das dann nicht mehr so. Da hatte ich im Kopf, dass bald wieder eine Untersuchung ansteht. Entsprechend liefen die Wettkämpfe nicht wie gewünscht.
Bei der Untersuchung (Anfang 2024, Anm. d. Red.) hieß es dann zwar, ich könne auf jeden Fall noch ein Jahr weitermachen. Aber da habe ich schon gemerkt, wenn ich kein 100-prozentiges Vertrauen in meinen Körper habe, ist Leistungssport das Falsche.
Vielleicht war es dann gar nicht so schlecht, dass ich durch den Sturz in Yokohama (beim Rennen der World Triathlon Championship Series, Anm. d. Red.) und die folgende Operation am Ellenbogen und den sowieso notwendigen Eingriff an der Hüfte keine wirkliche körperliche Ausbelastung mehr hatte.
Vor ein paar Wochen haben dir die Ärzte einen eindeutigen Rat gegeben.
Auf Vermittlung der DTU war ich bei einem Sportkardiologen am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft. Er hat die Ergebnisse meiner Untersuchungen der vergangenen Jahre auch mit Kollegen aus Italien besprochen, die viel Ahnung in diesem Bereich haben. Das Resultat war sehr eindeutig: sie haben mir geraten, meine Karriere zu beenden.
Wie fühlst du dich mit der Entscheidung?
Das Schwarz auf Weiß ins Gesicht gesagt zu bekommen, auch wenn dies auf eine sehr emphatische Art und Weise geschehen ist, war natürlich ein Schlag. Ich bin schon mit einem unguten Gefühl zu dem Termin gereist. Aber diese Endgültigkeit ist schon hart, der Fakt schon niederschmetternd.
Aber ich habe es auch an dem Tag schon akzeptiert. Ich bin relativ klar im Kopf, kann gut damit umgehen. Ich bin auch ein Mensch, der so etwas relativ rational angeht. Es gibt da ja auch keinen Verhandlungsspielraum.
Das Gute ist: Es ist keine 180-Grad-Wende. Ich trainiere noch ein bis zwei Mal am Tag, habe also eine Tagesstruktur, gehe sogar vier Mal die Woche schwimmen - und das macht sogar Spaß (lacht).
Klassisches Abttrainieren also?
Genau, ich muss aufgrund meines Herzens nur darauf achten, dass mein Puls nicht über 140 Schläge geht. Ausscheidungsrennen mit den Jungs auf dem Rad sind also leider nicht mehr drin, aber lange Ausfahrten schon.
Hast du deine Karriere in dem Wissen, dass sie vermutlich kürzer ausfallen wird, noch intensiver erlebt?
Ich habe das so nie gesehen – bis 2023. Bis dahin stand nie im Raum, dass es nur noch ein Jahr sein könnte, sondern es hieß immer, vier bis fünf Jahre kannst du noch als Leistungssportler aktiv sein.
Es war dann eher überraschend, dass sich die Werte zu 2023 so verschlechtert haben. Und es war klar: werden sie nochmal schlechter, wird es eng mit der Weiterführung des Leistungssports.
Fühlst du dich vom Schicksal benachteiligt?
Nein, aber es wäre natürlich geil gewesen, weiterzumachen. Triathlon ist das, was mir am meisten Bock macht. Aber ich kann weiterhin trainieren, habe keine Einschränkungen im täglichen Leben, auch wenn mein Herz natürlich weiter beobachtet wird und unter Umständen irgendwann mal eine Operation ansteht.
Die Ärzte haben auch ganz klar gesagt, dass so etwas auch ganz anders ausgehen kann und man nur noch im Bett liegt. Davor hat mich auch mein Leben als Sportler bewahrt.
Wie hast du diesen jährlichen Überprüfungen entgegengesehen?
Ich habe versucht, positiv zu denken. Ich wurde in eher jungen Jahren mit harten Fakten konfrontiert und musste lernen, damit umzugehen. Es ging über Jahre immer nur darum, etwas zu kontrollieren, es stand nie eine lebensveränderte Maßnahme im Raum. Trotzdem habe ich mir oft die Frage gestellt, was wäre, wenn sich die Diagnose verschlechtert. Dadurch war ich in gewisser Weise auf eine schlimme Diagnose eingestellt.
Lass uns, so bitter das in deinem jungen Alter klingt, auf deine Karriere zurückblicken. Dein großes Jahr war 2023.
Das war, mit Blick auf die internationale Weltbühne des Triathlonsports, mein bedeutenstes Jahr mit den zwei WM-Titeln im Einzel in der U23 und in der Mixed Relay in der Elite. Das waren beide auf ihre Art sehr coole Rennen.
Aber auch die Silbermedaille in der Mixed Relay 2022 bei der EM in München war ein wunderbarer Erfolg.
Auch in der 1. Triathlon-Bundesliga warst du einer, der mit einigen guten Ergebnissen auf sich aufmerksam gemacht hat.
Da habe ich es vor allem 2022 und 2023 geschafft, meine Leistung gut abzurufen und an Übertagen mich und meine Trainer positiv zu überraschen.
Gerade der Erfolg in Nürnberg 2022 war einer, der weit oben in dem Ranking der Rennen ist, die mir viel bedeuten, weil die Bundesliga für mich einen hohen Stellenwert hat und Nürnberg mittlerweile mein Zuhause ist. Und ein Rennen in dieser Art und Weise solo zu gewinnen, ist natürlich auch cool (lacht).
Erfolge müssen nicht immer die schönsten Momente sein. Was war der schönste, bedeutendste Moment deiner Karriere?
Nach dem erfolgreichen Junioren-Jahr 2019 und der Corona-Saison 2020 mit quasi keinen Wettkämpfen habe ich daran gezweifelt, ob ich gut genug für die Elite bin. 2021 war mein erstes Europacup-Jahr, und ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich es schaffen kann, die Lücke zu den besten Deutschen zu schließen.
Dann kam der Europacup in Tiszaujvaros, zugleich Qualifikationsrennen für die U23-WM. Ich bin dort Sechster geworden und habe im Zielsprint Valentin Wernz geschlagen. Es war nur ein sechster Platz bei einem Europacup, aber dieses Resultat war unglaublich befreiend für mich, sehr emotional und hat mir richtig viel bedeutet, weil ich gemerkt habe, dass ich das Zeug habe, mit den Männern mitzuhalten. Es war rückblickend das Rennen, bei dem mir der Durchbruch gelungen ist.
Was nimmst du mit aus über einem Jahrzehnt im Leistungssport?
Unglaublich viel. Viel Erfahrung, weil der Sport im Allgemeinen und meine Zeit im Internat in Nürnberg im Speziellen eine perfekte Erziehung für das Leben waren. Ich habe gelernt, mit Rückschlägen und Niederlagen umzugehen. Davon gab es zu Beginn viele, auch wenn es hintenraus eine erfolgreiche Karriere war.
Die vielen Verletzungen in den vergangenen Jahren, und dass es mir immer gelungen ist, wieder zurückzukommen, haben mich gelassener gemacht. Das hat mir in den vergangenen Wochen und Monaten geholfen.
Wie geht es jetzt weiter?
Dass weiß ich selbst noch nicht genau (lacht). Die meisten meiner Partner und Sponsoren unterstützen mich weiterhin, das gibt mir eine gewisse Sicherheit für die kommenden Monate.
Dieses Jahr liegt mein Fokus noch auf dem Sport. Ich werde die Umfänge langsam reduzieren, aber ich bewege mich immer noch im Bereich von 16 bis 20 Wochenstunden. Ich kann nicht voll in das Berufsleben einsteigen, und noch 20 Stunden zusätzlich die Woche trainieren. Das schulde ich aber meinem Herzen.
Ich möchte die kommenden Monate nutzen, um einiges auszuprobieren. Ich gebe zum Beispiel zusammen mit Roland Knoll am Stützpunkt in Nürnberg Kindertraining, dass macht mit sehr viel Spaß. Ich werde auch zusammen mit meinen Sponsoren ein paar Dinge machen, vor der Kamera, aber auch im Bereich Marketing. Und dann werde ich schauen, was ich kommenden Herbst mache, am realistischen ist derzeit die Option, ein Studium zu beginnen.
Triathlon wird aber weiterhin eine Rolle spielen?
Triathlon wird weiter eine Rolle spielen. Ob hauptberuflich oder nur nebenbei, wird sich zeigen.